Bäckertüten als Hilfsanker
Aktion „Gewalt kommt uns nicht in die Tüte!“ anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen und Kindern am 25.11.2021
Rund 80.000 bedruckte Bäckertüten werden im Laufe der Woche im Landkreis München über die Ladentheke verschiedener Bäckereien gehen. Darauf zu lesen: „Gewalt kommt uns nicht in die Tüte“ sowie Kontaktmöglichkeiten zu Beratungsstellen und Hilfsangeboten für von häuslicher Gewalt betroffener Frauen. Die Aktion findet statt anlässlich des Tags gegen Gewalt an Frauen und Kindern.
Jede dritte Frau ist mindestens einmal im Laufe ihres Lebens von häuslicher Gewalt betroffen. Um den Frauen im Landkreis München Mut zu machen, sich Hilfe zu suchen, hat das Landratsamt in Kooperation mit dem Sozialdienst katholischer Frauen München e. V. bereits zum dritten Mal die Bäckertütenaktion organisiert. Jedes Jahr kommen mehr teilnehmende Bäckereien hinzu. Dieses Jahr konnte die Menge der Bäckertüten von 40.000 im vergangenen Jahr auf 80.000 verdoppelt werden.
Zu den teilnehmenden Bäckereien gehören dieses Jahr die Bäckerei Konditorei Heinrich Traublinger, die Bäckerei Konditorei Josef Fiegert, Hasi Schmeckerbäcker, Riedmair, die Ratschiller Bäckerei sowie das Dinkelparadies Dümig.
„Gewalt kommt uns nicht in die Tüte“ prangt auf der Vorderseite der insgesamt 80.000 Tüten, die diese Woche über die Ladentheke gehen. Auf der Rückseite befinden sich die Kontaktdaten des Frauenhauses im Landkreis München, welches vom Sozialdienst katholischer Frauen München e. V. betrieben wird, der Interventionsstelle Landkreis München, der Männerberatung MILK sowie der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises München. Die Aktion soll Betroffenen Mut machen und sie animieren, bestehende Hilfsangebote anzunehmen.
Psychische und physische Gewalt
Häusliche Gewalt, also Gewalt, die sich in den eigenen vier Wänden abspielt, drückt sich nicht nur in sexuellen Übergriffen oder Schlägen aus. Auch ständige Beleidigungen, Beschimpfungen und Demütigungen können der Beginn einer Spirale der Gewalt sein. Dazu kommen oftmals verschiedene Formen der Kontrolle: Die Täter nehmen beispielsweise den Frauen das Handy, die Bankkarte oder das Geld weg, überwachen oder verbieten soziale Kontakte. Sie verbreiten falsche und rufschädigende Geschichten in der Nachbarschaft, bei Kollegen und im Freundeskreis oder aber über die sozialen Netzwerke wie Facebook oder Twitter. So werden die Opfer isoliert, verlieren wertvolle Beziehungen zu anderen Menschen und können sich keine Unterstützung holen, sind dem Täter völlig ausgeliefert. Rund 80 Prozent der Betroffenen haben Kinder. Das Miterleben häuslicher Gewalt birgt für die Kinder und Jugendlichen die Gefahr nachhaltiger Schäden. Deshalb ist es wichtig, sich möglichst frühzeitig beraten zu lassen und sich Hilfe zu holen.
Tanja Böhm, Leiterin der Interventionsstelle Landkreis München: „Die Interventionsstelle Landkreis München ist die Fachberatungsstelle für Betroffene von häuslicher Gewalt, Frauen und deren Kinder. Wir unterstützen die Betroffenen erste Schritte in ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben zu gehen. Die Beteiligung an der Bäckertütenaktion ist uns ein großes Anliegen, da die Dunkelziffer derer, die noch nicht den Mut gefasst haben, sich aus einer Gewaltbeziehung zu befreien, weiterhin groß ist. Es wäre schön, wenn wir dadurch weitere Frauen erreichen und ermutigen, sich bei uns zu melden.“
Hanna Kollan, Gleichstellungsbeauftragte im Landratsamt München, setzt mit der Fahnenaktion „Frei leben ohne Gewalt“ initiiert von Terre des Femmes vor dem Haupthaus am Mariahilfplatz auch in diesem Jahr ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen und Kindern. „Es ist unser Ziel mit der Fahnenaktion vor unserer Behörde und mit der Bäckertütenaktion in den Kommunen des Landkreises Münchens die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Wir hoffen damit Betroffenen Mut zu machen sich Unterstützung zu holen und Bürgerinnen und Bürger zu sensibilisieren.“
„Die zwei Frauenhäuser im Landkreis München bieten insgesamt 15 Frauen und 27 Kindern Schutz vor häuslicher Gewalt. Dabei geht es nicht nur um körperliche Gewalt, sondern immer mehr auch um psychische Gewalt, der die Frauen oft jahrelang ausgesetzt sind. Die Bäckertütenaktion ist eine weitere Möglichkeit, die betroffenen Frauen auf die zahlreichen Hilfsmöglichkeiten im Landkreis München aufmerksam zu machen und das Thema der häuslichen Gewalt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen“, so Cornelia Trejtnar, Leiterin des Frauenhauses im Landkreis München.
„Die Männerberatungsstelle im Landkreis München ist eine auf häusliche Gewalt spezialisierte Fachstelle. Sie bietet Männern, die in Partnerschaften gewalttätig geworden sind, auch in diesen schwierigen Zeiten gezielte Hilfen und ein soziales Trainingsprogramm an, das die persönlichen Kompetenzen stärken und gewaltfreie Handlungsalternativen aufzeigen soll. Die seit vielen Monaten andauernden Beschränkungen durch Corona stellen in besonderem Maße Stressfaktoren dar, die wiederum eine Menge Konfliktpotential in sich bergen. Die Fachstelle unterstützt Männer dabei, die eigenen Grenzen bzw. die anderer zu erkennen und zu akzeptieren und damit Gewalt in Partnerschaften zu verhindern oder zu beenden. Häusliche Gewalt schwelt oft im Verborgenen und ist kein Thema, das an „die große Glocke gehängt wird“. Die Bäckertütenaktion soll dazu beitragen, die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren und gewalttätige Männer dazu ermutigen, unsere Beratungsstelle aufzusuchen und Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen“, so Ronald Föhlinger von der Männerberatungsstelle Landkreis München (MILK).