Die Akkus sind geladen: Klimainitiative nimmt Fahrt auf
Bei der Auftaktveranstaltung zur 29++ Klima. Energie. Initiative. wird auf hohem Niveau diskutiert und dabei grob die Richtung abgesteckt, wohin die Reise gehen soll
Der Landkreis München ruft mit seinem Projekt "29++. Klima. Energie. Initiative." in diesem Jahr Bürger, Unternehmen und die Politik auf, sich an der Erarbeitung einer neue Klima- und Energieinitiative als Weiterentwicklung der Energievision zu beteiligen. Am vergangenen Samstag folgten viele Menschen dem Aufruf und nutzten bei der Auftaktveranstaltung in Haar die Chance, sich einzubringen.
Vor zehn Jahren, als der Landkreis München zum ersten Mal eine Energievision formulierte, wurde er ob seiner ehrgeizigen Ziele belächelt. Manch einer lächelt immer noch. Dabei ist das Ziel, die verbrauchte Energie allein aus regenerativen Energien zu decken, so gültig wie damals und ein großes Stück näher gerückt.
Dass es dabei heute nicht wie damals auf die Reduzierung des absoluten Energieverbrauches des Landkreises, sondern auf die Qualität ankommt - sprich die Erneuerbarkeit der Energie -, ist klar. Eine boomende Wirtschaft wie im Landkreis München hat immer auch einen erhöhten Energieverbrauch zur Folge.
"Wir können froh sein, dass sich der Landkreis damals auf diesen Weg gemacht hat", sagte Landrat Christoph Göbel bei der öffentlichen Auftaktveranstaltung zur neuen Klima- und Energieinitiative mit Blick auf die Energievision aus dem Jahr 2006. "Aus der Vision muss jetzt ein Projekt werden, an dem möglichst viele teilnehmen: die Wirtschaft, die Kommunen und jeder einzelne Bürger im Landkreis." Dies soll auch im Namen der "29++ Klima. Energie. Initiative." zum Ausdruck kommen.
Bei der Auftaktveranstaltung am vergangenen Samstag in Haar waren sie dann auch alle vertreten, Bürgermeister, Gemeinde- und Stadträte quer durch den Landkreis, Vertreter aus der Wirtschaft, Mitglieder von Umweltverbänden und -vereinen sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger. Unter der fachkundigen Leitung der Green City Energy AG, die das Projekt gemeinsam mit dem Landkreis München vorantreibt, diskutierten die Teilnehmer über Schwachstellen und mögliche Zielrichtungen, informierten sich über die Energieszene und Best-Practice-Beispiele.
Die Zukunft liegt im Strom
Über Entwicklungen der Energieszene berichtete schlaglichtartig Peter Keller, Leiter der Kommunalen Energieberatung bei Green City Energy. Die neue Energiewelt sei geprägt von einer Dezentralisierung und Demokratisierung. Bereits heute seien der Rückzug und teilweise Umbau der großen Energieversorger erkennbar. Gleichzeitig ließe sich eine verstärkte Investitionstätigkeit in erneuerbare Technologien feststellen. Der Strom sei dabei künftig die Grundlage sowohl für Wärme als auch für Mobilität.
Die entscheidenden Voraussetzungen für eine sauberere Energieversorgung in den 29 Landkreiskommunen sind vorhanden: Geothermie und Wasserkraft, Photovoltaik und Windkraft lassen im Landkreis hohe Potenziale erkennen. Entsprechend optimistisch zeigt sich der Landkreis denn auch hinsichtlich einer mittel- und langfristigen Reduktion des CO2-Ausstoßes im Landkreis. Eine Erschließung dieser regenerativen Energiequellen und die konsequente Umstellung auf eine erneuerbare Versorgung brächte eine deutliche Minderung des Ausstoßes von Kohlenstoffdioxid mit sich. Bei der letzten Erhebung der CO2-Emissionen im Landkreis im Jahr 2010 zeigte sich, dass der Landkreis München mit 12,9 Tonnen CO2-Ausstoß pro Einwohner und Jahr erschreckend deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt (rund 10 Tonnen pro Kopf und Einwohner) lag. Bei der Reduzierung der Emissionen spielen der Landkreisinitiative auch die Beschlüsse der Klimakonferenz in Paris aus dem November vergangenen Jahres in die Hand: Sie sehen eine Minderung des CO2-Ausstoßes um 85 bis 90 Prozent vor.
Zentraler Wunsch der Teilnehmer: mehr Kommunikation
Über aktuelle Schwachstellen und mögliche Potenziale konnten sich die gut 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Anschluss an sechs Themeninseln austauschen. Die Palette reichte von "Klimaschutz im Landkreis" über "Erneuerbare Energien", "Sanierung und Stromsparen", "Wirtschaft" und "Mobilität" bis hin zu "Bewusstseinsbildung und Konsum".
Ein zentraler Aspekt wurde bei nahezu allen Stationen immer wieder genannt: die intensive Kommunikation aller Beteiligten. Es habe sowohl auf Landkreis- als auch auf kommunaler Ebenen bereits eine Vielzahl guter Initiativen gegeben, doch nach erfolgreichem Anlaufen blieben sie weitestgehend im Hintergrund, neue Informationen seien oft nicht mehr zu den Bürgerinnen und Bürgern hindurchgedrungen. Bei der neuen Klima- und Energieinitiative sollen ebendiese Kommunikation und Bürgerbeteiligung im Fokus stehen.
Vielfach wurde bei Bürgern und Wirtschaft auch der Wunsch nach ganz konkreten Handlungsanweisungen und Hilfestellungen laut. Unternehmen wünschten sich auf dem Energiesektor mehr Unterstützung durch die Kommunen. Die wenig verlässliche Energiepolitik auf Bundesebene mache es ihnen jedoch besonders schwer, in innovative Konzepte zu investieren.
Von vielen Seiten wurde mit Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass sich die Landkreiskommunen auf mehreren Ebenen mehr als Konkurrenten betrachteten und wenig zusammenarbeiteten. Auch, dass es keine landkreisweite Agenda 21 gäbe, wurde mehrfach bemängelt. Umso wichtiger ist es, jetzt wirklich alle 29 Kommunen mit ins Boot zu holen und die Initiative gemeinschaftlich voranzubringen.
Kreis Steinfurt als Pate und Vorbild
Wie es gehen kann, zeigte Ulrich Ahlke aus dem Kreis Steinfurt. Der Leiter des Amtes für Klimaschutz und Nachhaltigkeit zeichnet in dem bereits vielfach ausgezeichneten Kreis verantwortlich für die Energieinitiative. Mit großem Ideenreichtum und einer Vielzahl an Kooperationspartnern aus den unterschiedlichsten Bereichen ist der Kreis auf dem besten Weg, sich vollständig von konventionellen Energieträgern unabhängig zu machen. Bereits heute bewegt man sich auf die 70-Prozent-Marke zu. Dabei verfolgt man im Kreis Steinfurt das Ziel, den CO2-Ausstoß von heute 9 Tonnen/Einwohner im Jahr auf 2 Tonnen im Jahr 2050 zu senken.
Das Publikum war sichtlich angetan von den Schilderungen Ahlkes. "Schwung, Elan und Freude" attestierte dieser denn auch den Teilnehmern - Begriffe, die im komplexen Prozess der Energiewende nicht allzu häufig fallen. Dass diese Motivation, etwas zu bewegen, im Landkreis München nicht so schnell verloren geht, dafür soll das so genannte RegioTwin-Projekt sorgen, in dem der Kreis Steinfurt rund ein Jahr lang dem Landkreis München als Pate zur Seite steht. Jetzt liegt es zunächst an den Teilnehmern der Auftaktveranstaltung, diese Motivation auch in ihre Gemeinde zu tragen und möglichst viele Menschen zum Mitmachen zu motivieren.
So geht es weiter:
In den kommenden Wochen folgen nun verschiedene Veranstaltungen, zu denen ebenfalls alle Interessierten aufgerufen sind, sich aktiv zu beteiligen.
- 22./23. April: Jugendkongress Future ++, TUM Garching
- 26. April bis 12. Mai: Workshopreihe 1, 4 Workshops in diversen Landkreiskommunen
- Ende Mai/Anfang Juni: Modul Wirtschaft, 3 Workshops für Unternehmen in diversen Landkreiskommunen
- 21. Juni bis 04. Juli: Workshopreihe 2, 4 Workshops in diversen Landkreiskommunen
- 24. September: Bündelungsworkshop, Bürgerhaus Grünwald
- mehrere Termine in 2016: öffentlichkeitswirksame Gebäudeprojektionen
- 12. Dezember: Sitzung des Kreistages
- Nähere Informationen zu den genannten Terminen sowie die Hinweise zur Anmeldung für die einzelnen Veranstaltungen finden Sie unter www.29plusplus.de.