Die Umwelt ist wichtiger als Geld
40 Jugendliche setzen sich beim Klimacamp mit Klimaschutz und der 29++ Klima. Energie. Initiative. auseinander
+++ Gemeinsame Pressemitteilung des Landratsamtes München und der Jugendsiedlung Hochland +++
"Das war die beste Freizeit, die ich bisher mitgemacht habe", strahlt die 12-jähige Annabelle. Sie ist eine der 40 Teilnehmer des 5. Klimacamps, das Ende Juli - anlässlich der Bayerischen Klimawoche - in der Jugendsiedlung Hochland in Königsdorf bei Bad Tölz stattfand. Die 11- bis 13-jährigen Schülerinnen und Schüler kamen heuer aus dem Landkreis München, weshalb auch die Kampagne "29++ Klima. Energie. Initiative" des Landkreises einbezogen wurde. Aus Sicht der Veranstalter wurde das Camp durch die positiven Rückmeldungen der Kinder genauso gekrönt, wie durch den Besuch von Dr. Christoph Goppel, Leiter des Referats "Umweltbildung, Bildung zur Nachhaltigkeit" im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, sowie den Besuch von Anne Kösler und Franziska Herr vom Landratsamt München, die den Kindern die Energiekampagne vorstellten.
Viel Freiheit führt zu vielen Ergebnissen
Was Annabelle zu ihrer enthusiastischen Einschätzung bewegt hat: "Dass wir so viel Freiheit hatten, so vieles ausprobieren konnten und am Schluss was richtig Tolles entstanden ist." Die Veranstalter - die Umweltstation Königsdorf, das Naturerlebniszentrum Burg Schwaneck in Pullach und das Zentrum für Umwelt und Kultur in Benediktbeuern - ermöglichten den Kindern vier Tage lang u.a. Experimente, eine Moorwanderung, ein Klimaplanspiel, klimafreundliches Kochen und zum Abschluss eine Präsentation vor interessierten Gästen.
Auf die Bereitschaft kommt es an
Beim Klimaplanspiel arbeiteten sich die Kinder in die ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Verhältnisse von Ländern ein, die stark vom Klimawandel betroffen sind oder die zu den Hauptverursachern des Klimawandels zählen. Als Vertreter von Grönland, Bangladesch, Äthiopien, USA, Deutschland und Brasilien verhandelten sie miteinander und vereinbarten in einer Konferenz Klimaschutzmaßnahmen. Und natürlich waren diese wegweisender als die Ergebnisse aller realen Klimaverhandlungen. Der 12-jährige Leo - ein "Vertreter" der USA - brachte es auf den Punkt: "Die Umwelt ist uns wichtiger als Geld". Diese Haltung erklärt so innovative Beschlüsse der Kinder wie die Einrichtung eines Umweltfonds aller Industrieländer oder die Besteuerung von Palmöl, um Anbauflächen zu sparen und dadurch den Regenwald zu bewahren. Überträgt man das Planspiel auf die Politik, wird deutlich: Natürlich haben die Kinder keine Finanzverantwortung - wie der 13-jährige Laurin richtig einwendete: "Wie wollt ihr das denn alles finanzieren?" Aber die grundlegenden Erfolgskriterien sind Kooperationsbereitschaft und politischer Wille. Bei den Kindern, getragen von der Sorge um die Zukunft und der Empathie für Tiere, Pflanzen und Menschen, ist beides da.
Strom und Ernährung ohne CO2
Der Tag im Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK) in Benediktbeuern war der CO2-Reduktion bei Strom- und Wärmegewinnung sowie dem Moorschutz als Klimaschutz gewidmet. Die Kinder erkundeten, wie das ZUK seine Energie regenerativ erzeugt und bauten selbst Solarkocher sowie andere Geräte zur Energiegewinnung. Bei einer Moorwanderung erlebten sie die ökologische Bedeutung der Loisach-Kochelsee-Moore sowie der Moore überhaupt als Raum der Biodiversität und CO2-Speicher: Obwohl sie nur 3 Prozent der Fläche auf der Erde einnehmen, speichern Moore doppelt so viel CO2 wie alle Wälder zusammen. Jährlich entweichen aus entwässerten deutschen Mooren rund 45 Millionen Tonnen CO2. Ein Grund mehr, auf Gartenerde mit Torf zu verzichten, sich für die Wiedervernässung von Mooren einzusetzen und beim Kauf von Lebensmitteln genau hinzuschauen, wo ihre Bestandteile angebaut wurden.
Ins Tun kommen und vernetzen
Am letzten Tag des Camps reflektierten die Kinder das Erlebte in Workshops zu den Themen Freizeit, Mode, Ernährung und Energiegewinnung und präsentierten vor dem Plenum und den eingeladenen Gästen. Den Anfang machten vier Jungen mit einer Fahrrad-Performance: Unter dem Motto "Burn fat, not oil" holten sie die Besucher mit dem Lastenrad vom Parkplatz ab. Eine Mädchengruppe zauberte ein selbstkritisches Theaterstück auf die Bühne: über die Arbeitsbedingungen von Näherinnen in Bangladesch und den Gruppenzwang zur Markenmode an ihren Schulen. An dieses Konsumthema knüpfte das Upcycling-Kunstwerk an: Unter dem Titel "Du" regt eine zwei Meter hohe Figur aus Plastikmüll dazu an, weniger Plastik zu verwenden und wegzuwerfen. Dann mussten auch die Erwachsenen Farbe bekennen: In einem interaktiven Quiz verarbeiteten die Kinder ihre Erkenntnisse über konventionellen, regionalen und Bio-Anbau: Was nutzt eine Bio-Paprika aus Spanien im Vergleich zur (Bio-)Gurke vom Kleinbauern um die Ecke? Und sie bereiteten gleich einen Imbiss auf ihren Solarkochern zu - wenn auch nur zum Teil, da die Sonne sich hinter Wolken versteckte. Das wurde aber nicht als Manko empfunden, sondern als Herausforderung für bessere Speicher. "Ich war völlig hingerissen von der Präsentation! Die Kinder haben sehr ernsthaft und zugleich mit viel Spaß Ideen, Fähigkeiten und Bedürfnisse dargestellt, die wir Erwachsenen im Sinne der Nachhaltigkeit nicht mehr ignorieren dürfen", so Anne Kösler vom Landratsamt München. Dr. Christoph Goppel beriet die Kinder am Schluss, wie sie sich gegenseitig helfen können, ihre im Camp gefassten Vorhaben im Alltag auch umzusetzen: Vernetzen und gegenseitig unterstützen - das kann durchaus auch Erwachsenen helfen, ihr "Öko-Gewissen" zu erleichtern.
Ins richtige Leben tragen
Die Veranstalter richten die Ziele des Camps am Konzept der Bildung für nachhaltige Ent-wicklung (BNE) aus, das sich - von der UNESCO initiiert - in der Umweltbildung in Deutschland etabliert. Sylvia Rein von der Umweltstation Königsdorf konkretisiert: "Die Kinder erfahren im Klimacamp die Auswirkungen ihres eigenen Lebensstils und dem anderer Menschen auf Klimawandel und Klimaschutz - regional und global. Und zwar nicht, indem sie von uns Umweltpädagogen Wissen in die Köpfe bekommen, sondern dadurch, dass sie ihre Fähigkeiten und Interessen in die Gemeinschaft einbringen, entwickeln und ausleben. Viele haben zum ersten Mal erlebt, dass sie selbst am Klimaschutz mitwirken können - oder dass sie es sogar schon tun! Und dass dies nicht von Verzicht geprägt ist, sondern Freude bereitet. Die Kinder dazu zu motivieren, konkrete Vorhaben zu generieren und in Gemeinde, Schule und Freizeit aktiv an einer nachhaltigen Entwicklung mitzuwirken - das war unser Ziel, und das haben wir erreicht." Ein Zeichen dafür ist, dass über die Hälfte der Kinder zum Bündelungs-Workshop der Energieinitiative "29++" des Landratsamts am 24. September 2016 in Grünwald bei München kommen will: Dort werden sie Landrat Christoph Göbel ihre Bedürfnisse und Ideen für mehr Klimaschutz in ihrer Gemeinde vortragen und in der Runde diskutieren. Veranstalter, engagierte Lehrkräfte und das Landratsamt begleiten die Vorbereitung.