Freie Fahrt für den Klimaschutz im Landkreis
Beim Mobilitätsworkshop in Ottobrunn wurde das Rad nicht neu erfunden – aber viel über seinen Beitrag für klimafreundliche Mobilität diskutiert
Klimaschutz erscheint oft abstrakt, komplex und nicht alltagsrelevant. Wenn es aber um Fragen der Mobilität geht, wird Klimaschutz auch für Otto Normalverbraucher greifbar. Denn jeder fährt selber mit dem Fahrrad oder Auto oder ist zu Fuß im Landkreis unterwegs. Mobilität ist deshalb ein allgegenwärtiges Thema, das viel Gesprächspotenzial bietet. So auch vergangene Woche beim zweiten Workshop zum Thema "Mobilität", der den Abschluss der Fachworkshops im Rahmen der "29++ Klima. Energie. Initiative." markierte. Landrat Christoph Göbel und Prof. Dr. Gebhard Wulfhorst, Leiter der Professur für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung an der Technischen Universität München, diskutierten dabei mit über 30 Teilnehmern die zukünftige Gestaltung der Mobilität im Landkreis München.
30 Prozent des Endenergieverbrauchs im Landkreis liegen beim Verkehr
Ob U-Bahn-Ausbau, Radschnellwege oder Autobahnringschluss: Aufgrund seiner Lage mitten in der Europäischen Metropolregion München und der prosperierenden Wirtschaft vor Ort ist der Landkreis München sehr stark von verschiedensten, oft widersprüchlichen Mobilitätsbedürfnissen seiner Bürger geprägt. Vor dem Hintergrund, dass derzeit knapp ein Drittel des Endenergieverbrauchs im Landkreis auf den motorisierten Individualverkehr sowie den öffentlichen Personennahverkehr entfällt, ist das Thema Mobilität ein zentraler, wenn nicht der zentrale Anknüpfungspunkt, um den Energieverbrauch der 29 Landkreiskommunen zu senken und den Klimaschutz erfolgreich voranzutreiben.
Das Ziel: die vorhandenen Potenziale in konkrete Maßnahmen umwandeln
In der ersten Expertenrunde zum Thema Mobilität, die im April den Auftakt der Workshopreihe gebildet hatte, hatten die Teilnehmer die zahlreichen vorhandenen Potenziale im Landkreis herausgearbeitet und Chancen, Hürden und Hemmnisse, die bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen förderlich bzw. hindernd sein könnten, definiert. Bei ihrem zweiten Treffen feilten die Teilnehmer nun gezielt an möglichen Maßnahmen. Skizziert wurden dabei nicht nur das Projekt an sich, sondern auch Akteure, Kosten und ein grober Zeitplan, um einen möglichst realistischen Eindruck über die Machbarkeit der Einzelmaßnahmen zu erhalten.
Den zentralen Impuls des Abends erhielten die Teilnehmer durch Professor Gebhard Wulfhorst, der als Experte auf dem Gebiet der Mobilität mit seiner fachlichen Einschätzung zum Landkreis München Orientierung für das weitere Vorgehen bot. Wulfhorst sieht in einer "Mobilitätswende" einen Schlüsselfaktor für den Klimaschutz im Landkreis: "Im Landkreis München gibt es sehr viele Potenziale. Man darf nur nicht glauben, dass Verkehrsprobleme allein durch Verkehrsprojekte lösbar wären. Wir wollen das Grundbedürfnis des Menschen an Mobilität nicht einschränken. Vielmehr geht es darum, Verkehr zu vermeiden, ihn zu verlagern und den Rest klimaverträglich abzuwickeln." Gerade in der intelligenten und bedarfsorientierten Planung von Siedlungsstrukturen gebe es ein oft übersehenes Potenzial, so Wulfhorst.
Fokus auf Radschnellwegen, E-Mobilität und Tangentialverbindungen
Erst vor kurzem hatte sich der Mobilitätsausschuss des Landkreises einstimmig für die Förderung der Elektromobilität ausgesprochen. Dabei sind sich die Verantwortlichen bewusst, dass E-Mobilität mehr ist, als nur die Förderung von Elektroautos und Ladestationen. Vielmehr muss ein ganzheitliches E-Mobilitätskonzept für den Landkreis erarbeitet werden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist bereits geplant: die Besetzung der neu gestalteten Position eines E-Mobilitätsbeauftragten für den Landkreis.
Aber auch die Einrichtung von Radschnellwegen ist eine zukunftsweisende Maßnahme im Landkreis. Durch den Bau hochwertiger kreuzungsfreier Radschnellverbindungen kann ein Teil des täglichen Pendlerverkehrs verlagert und somit deutlich Emissionen eingespart werden. In Kombination mit elektrisch betriebenen Fahrrädern, sogenannten Pedelecs, stellt dies einen wichtigen Baustein für eine klimafreundlichere Mobilität des pendelstarken Landkreises München dar; solange die Energie dafür aus erneuerbaren Quellen stammt. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Verkehrsverlagerung vom Auto auf den Radverkehr gibt es bereits in Nordrhein-Westfalen. Dort findet das erste Teilstück des Leuchtturmprojekts "Radschnellweg Ruhr - RS1" bereits großen Zuspruch. Künftig soll der Radschnellweg Ruhr auf einer Strecke von über 100 Kilometern von Hamm bis nach Duisburg führen.
Von wesentlicher Bedeutung ist auch die bessere Vernetzung des öffentlichen Nahverkehrs. Wirtschaftsstarke Standorte müssen besser an den ÖPNV angebunden werden. Ein Pendler, der beispielsweise in Aschheim wohnt, aber in Garching arbeitet, benötigt für die Strecke von zwölf Kilometern mit dem ÖPNV rund eine Stunde. Mit der Einrichtung von Tangentialverbindungen zwischen den Landkreisgemeinden wurde bereits 2014 im Rahmen der Umsetzung des Nahverkehrsplans des Landkreises ein wichtiger Schritt getan, der die einfachere Verbindung der Landkreiskommunen vorantreibt. Hier wurde auch die Erweiterung der konventionellen Flotte durch zukunftsweisende Vehikel wie urbane Seilbahnen in Erwägung gezogen.
Auch die Gründung einer Mobilitätsagentur, wie es beispielsweise die Stadt Wien vorgemacht hat, wurde intensiv diskutiert. Solch eine Agentur würde kreisübergreifend beratend und informativ in allen Mobilitätsfragen zur Seite stehen und damit einen wichtigen kommunikativen und konsultativen Beitrag zur Mobilitätswende leisten.
Es geht nur gemeinsam
Gerade die Mobilität macht nicht an Gemeinde- oder Landkreisgrenzen Halt, dies wurde auch beim letzten Workshop im Ottobrunner Wolf-Ferrari-Haus immer wieder betont. Die Botschaften des abschließenden Workshops stehen sinnbildlich für den gesamten Prozess "29++". Nur gemeinsam kann zielorientiert an Lösungen gearbeitet werden. Jede der 29 Kommunen kann zwar individuelle Mobilitätslösungen für die eigenen Bedürfnisse schaffen; richtig erfolgreich können diese aber nur sein, wenn alle Beteiligten sich vernetzen und gemeinsam tragfähige und visionäre Lösungen entwickeln.
Viele Ideen müssen gebündelt werden
Nach dem letzten Workshop der 29++ Klima. Energie. Initiative. geht der fachliche Bürgerbeteiligungsprozess im Landkreis München in die entscheidende Phase über. Die Ergebnisse der zehn Workshops sowie die Erkenntnisse aus dem Wirtschaftsmodul und der Beteiligung der Jugend werden nun gebündelt, um am Ende des Jahres dem Kreistag präsentiert zu werden. Der Bündelungsworkshop findet am 24. September 2016 von 10 bis 15 Uhr im Bürgersaal der Gemeinde Grünwald statt. Interessierte können sich schon jetzt unter 29plusplus [at] lra-m.bayern.de###EMAIL### für die Teilnahme anmelden.
Nächste Termine der Projektionskampagne:
Aschheim: 15. September
Unterschleißheim: 12. November
Feldkirchen: 27. November
Mehr Informationen erhalten Sie unter www.29plusplus.de oder unter www.facebook.com/29plusplus.