Investieren für den Klimaschutz
Landkreis und Kommunen beschäftigen sich mit Divestment
Um Umwelt- und Klimaschutz erfolgreich und nachhaltig umzusetzen, sind viele Akteure aus verschiedensten Bereichen gefragt – auf lokaler wie auf nationaler Ebene. Insbesondere auch den Kommunen kommt dabei eine zentrale Rolle zu, die über den Ausbau erneuerbarer Energien, die Steigerung der Energieeffizienz oder neue Mobilitätsformen hinausgeht. Klimaschutz betrifft auch den Finanzsektor. Denn letztendlich sind auch Kommunen Investoren. Aus diesem Anlass luden der Landkreis München und die Energieagentur Ebersberg-München kürzlich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Kreis- und Gemeinderäte, Kämmereien, Umwelt- und Klimaschutzbeauftragte sowie Vertreter kommunaler Unternehmen in den Festsaal des Landratsamts München am Mariahilfplatz zum Fachdialog „Klimafreundlich investieren – Kommunales Divestment und Reinvestment“.
Auf dem Weg zur klimafreundlichen Investmentstrategie
Was zunächst sperrig klingt, ist eine wirksame und risikoarme Methode, Gelder aus fossilen Energieträgern abzuziehen und klimafreundlich zu reinvestieren, um zu einer CO2-ärmeren Wirtschaft beizutragen. Weltweit haben bereits mehr als 1.000 Institutionen eine klimafreundliche Investmentstrategie beschlossen. Auf Bundesebene wurde ein Sustainable-Finance-Beirat etabliert, der die Bundesregierung dabei unterstützen soll, Deutschland zu einem nachhaltigen und zukunftsfähigen Finanzstandort zu entwickeln. Auf internationaler Ebene unterstreicht ein neuer EU-Aktionsplan die Relevanz der Thematik, indem vorgegeben wird, dass Assetberater ab sofort auch auf nachhaltige Geldanlagen hinweisen und dazu beraten müssen.
Die Umlenkung bestehender Geldanlagen in kommunaler Hand in nachhaltigere Portfolios wird allerdings bislang noch kaum als innovative, klimafreundliche Strategie wahrgenommen. Dabei sind diese Gelder in Aktien, Anleihen, Beteiligungen, Fonds und weiteren Anlagen investiert, die meist einer Dekarbonisierung und damit sowohl dem Schutz des Klimas als auch der treuhänderischen Verantwortung einer Kommune widersprechen. Mehrere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien sich nicht negativ auf die Rendite auswirke und diese unter Umständen sogar verbessere.
Nachhaltiger Umgang mit kommunalen Finanzen
Im Rahmen der gemeinsamen Veranstaltung von Landkreis und Energieagentur brachten Experten des Projekts „Klimafreundlich investieren – Kommunales Divestment und Reinvestment“ den Kommunen die Möglichkeiten von Divestment und Reinvestment näher und zeigten anhand von Praxisbeispielen aus anderen Kommunen auf, wie nachhaltiges Wirtschaften für kommunale Finanzen aussehen kann. In Deutschland waren hier beispielsweise die Städte Münster, Berlin und Bonn oder der Landkreis Osnabrück Vorreiter. Auch grundsätzliche Chancen und Wege für den Landkreis München sowie mögliche erste Schritte wurden erörtert.
Bisher gibt es im Landkreis München – und auch in ganz Deutschland – noch keine Kommune, die divestiert hat. Die teilnehmenden Kommunen und Kommunalunternehmen konnten sich aber grundsätzlich vorstellen, Divestment und Reinvestment als Teil eines kommunalen bzw. betrieblichen Nachhaltigkeitskonzepts aufzunehmen. Dabei sollten, so auch die Empfehlung der Experten, die sogenannten „ESG-Kriterien“ (Environment (E), Social (S), Governance (G)) angewendet werden, die als Standard nachhaltiger Anlagen inzwischen allgemein anerkannt sind.
Außerhalb Bayerns besteht in zahlreichen Bundesländern die Möglichkeit, insbesondere über die Neustrukturierung der Versorgungsrücklagen zu divestieren. In Bayern übernimmt diese Aufgabe bis zu einer gewissen Größe der Kommunen die Bayerische Versorgungskammer (Bayerischer Versorgungsverband). Als Mitglieder zahlen die Kommunen für die beschäftigten Beamtinnen und Beamten sowie für die aktuellen Versorgungsempfänger eine jährliche Umlage. Der Bayerische Versorgungsverband finanziert aus dieser Umlage dann die Pensionszahlungen. Daher halten die kreisangehörigen Kommunen wie auch der Landkreis München selbst keine eigene Versorgungsrücklage vor. Entsprechend müsste hier vorwiegend der Versorgungsverband selbst umlenkend aktiv werden.
Ein weiterer Punkt, der kommunales Divestment in Bayern erschwert, ist die Tatsache, dass im Gegensatz zum Vorgehen in anderen Bundesländern bayerische Kommunen ihre Gelder sicher und Ertrag bringend anzulegen haben. Dies schließt eine Anlage in Aktien aus. Dennoch bestärkten die Experten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darin, künftig verstärkt nachhaltige kommunale Investitionen zu prüfen. Wenn etwa zehn Prozent der Investoren Divestment in ihre Wirtschaftsstrategie aufnehmen würden, könnte einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung zufolge bereits ein Wandel des Finanzmarkts angestoßen werden.
Landrat Christoph Göbel begrüßte die intensive Auseinandersetzung der Kommunen mit möglichen finanziellen Stellschrauben für nachhaltigen Klimaschutz: „Als Kommunen sind wir heute mehr denn je angehalten, kreativ zu wirtschaften, ohne jedoch den sorgsamen Umgang mit Steuergeldern zu vernachlässigen. An erster Stelle unserer Investitionen müssen immer die Sinnhaftigkeit und ein möglichst geringes Risiko stehen. Es liegt in unserer Verantwortung, die kommunalen Finanzen stabil zu halten und damit auch eine lebenswerte Zukunft für die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis sicherzustellen. Viele Kommunen sind hier bereits sehr erfolgreich aktiv, etwa in örtlichen Gemeindewerken. Dennoch bleibt hier auch in Zukunft viel zu tun. Den Kreislauf des Geldes zu erhalten und nachhaltig zu investieren, ist so aktuell wie nie. Ich freue mich sehr, dass wir diese Herausforderung im Landkreis München angehen und gemeinsam mit Experten Ideen und Strategien für langfristige, klimafreundliche Investitionen entwickeln.“
Hintergrund
Der Fachdialog wird im Rahmen des vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit geförderten Projekts „Klimafreundlich investieren – Kommunales Divestment und Reinvestment“ vom Forschungs- und Beratungsinstitut adelphi, dem Fachverband Forum Nachhaltige Geldanlagen sowie dem Klima-Bündnis e. V. durchgeführt. Ziel des Projekts ist es, Divestment
und Reinvestment in und mit Kommunen in Deutschland weiter in die Fläche zu tragen. Die Schwerpunkte des Projekts liegen auf der Sondierung des jeweiligen Potenzials für kommunales Divestment, konstruktiven Dialogen zwischen Vorreitern, Experten und weiteren Akteuren sowie der Befähigung der teilnehmenden Kommunen, ihre Geldanlagen unter klimafreundlichen, nachhaltigen Gesichtspunkten zu analysieren und alternative, klimafreundliche Reinvestitionsmöglichkeiten zu nutzen.