Neue "Burgherren": Erste minderjährige Flüchtlinge auf Burg Schwaneck angekommen
Jungendherberge des Kreisjungendrings (KJR) in Pullach wird vorübergehend Heimat für unbegleitete jungendliche Asylbewerber
Hoch über dem Isartal sind gestern die ersten jungen Männer im Alter von 15 bis 17 Jahren auf der Burg Schwaneck in Pullach eingezogen. Herzlich in Empfang genommen wurden sie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Diakonie und des Kreisjungendringes, der hier im Auftrag des Landkreises normalerweise eine Jugendherberge und eine Bildungseinrichtung betreibt. Erst vor kurzem verständigten sich Landkreis und Kreisjugendring schweren Herzens, den Herbergsbetrieb für knapp zwei Jahre einzustellen und in der etablierten Jugendeinrichtung vorübergehend junge Asylsuchende, die ohne erwachsene Bezugspersonen nach Deutschland gekommen sind, unterzubringen und intensiv zu betreuen.
Ursprünglich war geplant, auf den Freiflächen der Burg Schwaneck Container aufzustellen und hier rund 40 jugendliche Flüchtlinge zu betreuen. Die neuesten Prognosen, die für den Landkreis eine wöchentliche Zuweisungsquote von 35 Jugendlichen festlegen, ließen das Lösungskonzept hinfällig werden. Ganz kurzfristig wurde der Beherbergungsbetrieb auf der Burg Schwaneck eingestellt und alles für die Unterbringung der jungen Flüchtlinge vorbereitet. "Mit der Diakonie hat sich der Kreisjungendring einen versierten Partner ins Boot geholt", betonte Landrat Christoph Göbel bei einer Infoveranstaltung auf der Burg Schwaneck am Freitag letzter Woche und verband dies mit einem großen Dank an den Kreisjungendring für dessen große Kooperationsbereitschaft. Gemeinsam werden KJR und Diakonie die Betreuung von insgesamt 116 junge Männer in sechs Gruppen bewerkstelligen. Die ersten 28 Jugendlichen, die am Montag angekommen sind, sind für die Diakonie-Mitarbeiter schon "alte Bekannte". Sie waren bislang in einer "Containerunterkunft" in der Stadt Garching untergebracht und sind nun mit ihren Betreuern auf die Burg gezogen. Mit an Bord ist auch ein Wachdienst, der sich auf die Betreuung dieser Zielgruppe spezialisiert hat. Er beschäftigt interkulturell und sozialpädagogisch geschultes Personal und hat bereits weitreichende Erfahrung in der Arbeit mit jungen Flüchtlingen gemacht.
Bildungsbetrieb läuft zum Teil weiter
Die Jugendlichen werden auf der Burg, die im Eigentum des Landkreises steht, in Viererzimmern mit Bad untergebracht. Das Naturerlebniszentrum auf dem Burggelände sowie einige Räume wie die Rittersäle werden durch den KJR weiterhin für die Bildungsarbeit genutzt. Andere, aus Gründen des Denkmalschutzes sensible Räume werden für die Zeit der Flüchtlingsunterbringung nicht bespielt.
Neben Landrat Christoph Göbel informierten Pullachs Erste Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund, Vera Lohel, zweite Geschäftsführerin des KJR, und Andreas Bedacht, KJR-Bereichsleiter und Hausleiter der Burg Schwaneck, sowie Miriam Egeler, Leiterin des Geschäftsbereiches Flexible Jungendhilfe Oberbayern der Diankonie, und Philip Bauer, Geschäftsführer des Wachdienstes Jonas Better Place, bei der Infoveranstaltung die an die Burg angrenzenden Anwohner sowie zahlreiche interessierte Bürgerinnen und Bürger aus der Gemeinde Pullach über diese kurzfristige Maßnahme in ihrer Nachbarschaft.
Vorrangiges Ziel ist das Erlernen der deutschen Sprache
Landrat Christoph Göbel schilderte den Zuhörern die Gesamtsituation, die der Landkreis München gemeinsam mit seinen 29 Kommunen derzeit bewältigt. Neben den rund 2.500 Asylsuchenden sind derzeit auch ca. 200 unbegleitete Minderjährige im Landkreis untergebracht. Die meisten davon in Hohenbrunn und in Feldkirchen. Die jungen Alleinreisenden obliegen der Jugendhilfe. Dies sichert ihnen eine engmaschige Betreuung und soll sie schnellstmöglich in die Selbständigkeit führen. Sind die Jugendlichen jünger als 16 Jahre unterliegen sie der Schulpflicht und werden entweder in eigenen Übergangsklassen oder auch in Regelklassen unterrichtet. Die meisten der bislang im Landkreis München selbstständig angekommenen Jugendlichen sind jedoch bereits älter. Sie besuchen zumeist Deutschkurse mit dem Ziel, möglichst schnell eine Ausbildung beginnen zu können. Neben der Sprachvermittlung geht es in der Betreuung vor allem aber auch darum, mögliche Traumata zu verarbeiten, die Jugendlichen mit der neuen Kultur und den herrschenden Gepflogenheiten vertraut zu machen und sie in die Gesellschaft zu integrieren.
Die Jungendlichen, die nach Pullach kommen, sind bereits seit einiger Zeit in Deutschland. Ihre persönliche Situation wurde umfangreich beleuchtet und mögliche Unterstützungsbedarfe, zum Beispiel in medizinisch-psychologischer Hinsicht, festgestellt. Miriam Egeler berichtete den interessierten Zuhörern aus dem Arbeitsalltag der Diakoniemitarbeiter, die schon länger junge Flüchtlinge betreuen. Die Vermittlung demokratischer Grundwerte oder auch des Gleichstellungsgrundsatzes von Mann und Frau gehören dabei genauso zu den Aufgaben wie Wäschewaschen oder der Kauf einer Fahrkarte für den Deutschkursbesuch in der Landeshauptstadt.
Einig waren sich auf dem Podium alle darüber, dass die Burg Schwaneck ein guter Ort ist, zur Ruhe zu kommen und ein Stück neues Heimatgefühl zu entwickeln. Ab 1. Juli 2017 steht die Burg dann wieder ihren eigentlichen Nutzern zur Verfügung. Bürgermeisterin Tausendfreund äußerte die Hoffnung, dass die dann zumeist volljährigen jungen Männer auch in der Gemeinde bleiben können. Den derzeit noch notfallmäßig in einer Pullacher Turnhalle untergebrachten erwachsenen Asylbewerbern trauern viele Bürgerinnen und Bürger schon jetzt nach. Hier haben sich viele freundschaftliche Kontakte entwickelt. So wird das sicherlich auch mit den Jugendlichen sein, die in den kommenden zwei Jahren auf der Burg zu Gast sind.