Tarifreform im MVV auf positivem Kurs
Entfernungstarif wird weiterverfolgt - in der Pilotphase wird gleichzeitig das bestehende System modernisiert
Der Unmut über das Tarifsystem des MVV ist bekanntlich groß: zu teuer, zu ungerecht und unverständlich - um nur einige Kritikpunkte zu nennen. Die Gesellschafterversammlung des MVV, bestehend aus Vertretern des Freistaats Bayern, der Landeshauptstadt München und der so genannten MVV-Verbundlandkreise, beauftragte daher im November 2015 eine Machbarkeitsstudie (Grobkonzept) und ein Jahr darauf ein Feinkonzept, aus denen konkrete Handlungsmaßnahmen hervorgehen sollen. Am 24. April stellten Vertreter der Gutachtergemeinschaft und der MVV GmbH den Mitgliedern des Ausschusses für Mobilität und Infrastruktur den aktuellen Sachstand vor und gaben den Kreisräten die Möglichkeit zur Diskussion.
Teuer und ungerecht: Flatrate und Zeittarif
Man hat eine revolutionäre Änderung des bestehenden Tarifsystems vor Augen. Dass es dennoch schwer werden wird, sämtlichen Forderungen nach Verständlichkeit, nach Nachfragewirksamkeit, Leistungsgerechtigkeit, sozialer Ausgewogenheit und Tarifergiebigkeit, die die Finanzierung des Systems überhaupt ermöglicht, in gleichem Maße nachzukommen, daraus machte Stefan Weigele von civity Management Consultants GmbH & Co. KG keinen Hehl. Auf das Maß der Erfüllung dieser Ansprüche wurden im Rahmen einer Machbarkeitsstudie insgesamt vier sehr unterschiedliche Tarifmodelle untersucht: eine Modernisierung der bestehenden Strukturen, eine Flatrate, ein Entfernungstarif und ein Zeittarif. Die Modelle Flatrate und Zeittarif sind dabei als nicht realisierbar bewertet worden. Die Flatrate wäre zwar sehr einfach umzusetzen und für den Nutzer gut verständlich. Der Zuschussbedarf der öffentlichen Hand wäre jedoch sehr hoch. Darüber hinaus würde das Modell viele Fahrgäste ungerecht behandeln, ergäben sich doch massive Preissprünge an den wenigen dann noch vorhandenen Tarifgrenzen. Der Zeittarif ist aufgrund von sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten der einzelnen Verkehrsmittel problematisch. Auch er würde viele Fahrgäste ungerecht behandeln.
Pilotprojekt: Entfernungstarif
Ziel ist deshalb ein Entfernungstarif, bei dem der Fahrpreis nach der tatsächlich zurückgelegten Strecke ermittelt wird. Eine gerechte und transparente Lösung, die jedoch nicht "über Nacht" zu realisieren ist. Denn es gibt bis jetzt noch keine technischen Lösungen "von der Stange", die man einfach übernehmen könnte. Auch Fragen des Datenschutzes sind eine, wenn auch nicht unüberwindliche Hürde, denn das System würde in erster Linie über das Smartphone des Fahrgastes laufen. Die Einführung des Entfernungstarifes muss daher in einer Pilotphase auf ausgewählten Strecken erprobt werden. Die Arbeiten an diesem Pilotprojekt beginnen in Kürze.
Dass man aber bis zu einer flächendeckenden Einführung das heutige System nicht unverändert bestehen lassen kann, darüber ist sich die Gesellschafterversammlung einig.
Verbesserungen schon zum Fahrplanwechsel 2018
Zeitgleich zur Pilotphase des Entfernungstarifes soll das bestehende System kurzfristig modernisiert und damit die gröbsten Schwächen beseitigt werden. Für diese "Modernisierung" wird derzeit das beauftragte Feinkonzept erarbeitet. Aus den heutigen 16 Ringen mit einer noch höheren Anzahl an Preismodellen bei den verschiedenen Fahrkartenarten sollen künftig nur noch acht werden. Darüber hinaus sollen die derzeit sehr hohen Tarifsprünge bei den Einzel- und Streifenkarten deutlich abgemildert und neue Angebote für Jugendliche und sozial Schwächere geschaffen werden. Das Modell soll nun zügig feinjustiert und dann zum Fahrplanwechsel im Dezember 2018 eingeführt werden.
Während sich die Ausschussmitglieder zum Teil enttäuscht über das Modernisierungsmodell äußerten, fand die Einführung eines Entfernungstarifes uneingeschränkte Zustimmung. Landrat Christoph Göbel, der als Vertreter des Landkreises in der MVV-Gesellschafterversammlung sitzt, relativierte die Einschätzungen der anwesenden Kreisräte: "Eines muss uns klar sein, ein großer Wurf ist mit einem Fingerschnipsen nicht möglich, außer vielleicht, wenn Geld keine Rolle spielt." Göbel teilt dabei die Auffassung einiger Kreisräte, das eine, die Modernisierung, zwar zu tun, ohne das andere, den Entfernungstarif, zu lassen. "Wir dürfen keinesfalls so lange warten, bis irgendwo ein Produkt von der Stange entwickelt ist. Wir müssen das Pilotprojekt parallel zur Modernisierung des bestehenden Tarifs stringent weiterverfolgen", so der Landrat weiter. Nach den Einschätzungen der Gutachter könnte die technische und marktseitige Vorbereitung des Pilotprojektes bereits im November 2018 abgeschlossen sein.
Positionspapier zum S-Bahnverkehr
Neben der Vorstellung der geplanten MVV-Tarifreform informierten Landrat und Verwaltung den Ausschuss auch über ein gemeinsam von den Verbundlandkreisen im MVV erarbeitetes Positionspapier zu den "Zukunftsperspektiven für die S-Bahn München aus Sicht der Verbundlandkreise". Die S-Bahn stellt in der Region München eines der wichtigsten Verkehrsmittel für die täglichen Wege im ÖPNV dar und ist eine wesentliche Grundlage des gesamten Systems des öffentlichen Verkehrs. Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und damit die S-Bahn auch im Landkreis München ist der Freistaat Bayern, der diese Aufgaben an die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) übertragen hat. Angesichts der hohen Bedeutung der S-Bahn für die Region und ihre Bürger hat sich die Verwaltung des Landkreises zusammen mit den übrigen Verbundlandkreisen im MVV und unter Mithilfe der Verbundgesellschaft mit dem Verkehrsmittel S-Bahn intensiv auseinandergesetzt und ein gemeinsames Positionspapier der acht Verbundlandkreise zu den Zukunftsperspektiven für die S-Bahn München verfasst.
In dem umfangreichen Positionspapier fordern die Landräte unter anderem die Schließung von Taktlücken, den vermehrten Einsatz von Langzügen sowie den barrierefreien Ausbau der S-Bahnstationen als kurz- bzw. mittelfristige Maßnahmen. Zudem enthält das Positionspapier Aussagen zum langfristig erforderlichen Infrastrukturausbau und betont u.a. für eine Vision "S-Bahn München 2050", dass das gesamte S-Bahnnetz so zu ertüchtigen ist, dass jegliche Beeinträchtigung durch Regional-, Fern- oder Güterverkehre vermiedenwird. Ebenso soll für die Verbesserung der Betriebsstabilität und zur Ermöglichung erweiterter Angebote ein durchgängig zweigleisiger Ausbau der S-Bahn-Außenäste erfolgen. Im Anschluss an die Ausführungen zu dieser Vision "S-Bahn München 2050" listet das Positionspapier konkret auf, an welchen Stellen infrastrukturelle oder betriebliche Maßnahmen von den Verbundlandkreisen als wichtig angesehen werden. Das Positionspapier wurde Vertretern des Freistaats Bayern bereits im März vorgestellt und übergeben.
Das vollständige Positionspapier finden Sie im Anhang.
- Dateien:
- Positionspapier_Verbundlandkreise.pdf, 310 KB
- Positionspapier_Infrastrukturforderungen_Schiene.pdf, 1 MB