"Wir müssen die Kurve wieder abflachen"
Infektionszahlen erreichen neue Höchstwerte – erstmals über 100 Neuinfektionen pro Tag im Landkreis
Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus erreicht in Deutschland und auch im Landkreis München derzeit täglich neue Höchstwerte. Nicht erst seit den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz und den Plänen der Bayerischen Staatsregierung, erneut den Katastrophenfall auszurufen, ist klar: Ein "weiter so" ist nicht mehr möglich, will man schlimmere Folgen für Land und Leute verhindern. Auch im Landkreis München ist die Zuspitzung der Situation deutlich zu erkennen: Lag die Sieben-Tage-Inzidenz Ende September noch bei knapp unter 30 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern über den Zeitraum von sieben Tagen, so stabilisiert sich der Inzidenzwert inzwischen im dreistelligen Bereich. Am 26. Oktober meldete das Gesundheitsamt erstmals über 100 Neuinfektionen seit der Vortagsmeldung. Landrat Christoph Göbel und auch das Staatliche Gesundheitsamt im Landratsamt München begrüßen deshalb ausdrücklich die Maßnahmen, die die Ministerpräsidentenkonferenz und in der Folge die Bayerische Staatsregierung für die kommenden Wochen beschlossen haben, mahnen aber auch ausdrücklich zur konsequenten Umsetzung und zur entsprechenden Anpassung der bayerischen Regelung.
"Von ganz besonderer Bedeutung wird es sein, dass es endlich wirklich einheitliche Regelungen gibt, auf die sich jeder verlassen kann. Die Menschen werden nicht mehr lange akzeptieren, dass es von Landkreis zu Landkreis unterschiedliche Maßnahmen gibt und sich wie bisher sogar die Regelungen und Einlassungen widersprechen, die innerhalb der Staatsregierung bestehen", so Landrat Christoph Göbel.
Göbel betont außerdem: "Mir ist bewusst, dass dieser zweite Lockdown die Bürgerinnen und Bürger, vor allem aber zahlreiche Betriebe und Freizeiteinrichtungen im Landkreis München hart trifft, insbesondere, da wir sehen, mit welchem Engagement viele Unternehmen in den vergangenen Monaten daran gearbeitet haben, mit umfassenden Hygienekonzepten, zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen und persönlichen Einschränkungen den Auflagen von Bundes- und Staatsregierung nachzukommen. Sie nun wieder mit neuer Verunsicherung und Existenzängsten konfrontiert zu sehen, schmerzt mich persönlich sehr. Dennoch halte ich es für richtig und wichtig, jetzt zu handeln, bevor wir vollends die Kontrolle über die Lage verlieren. Die rasant steigenden Fallzahlen, die wir seit etwa zwei Wochen verzeichnen, betrachte ich mit großer Sorge, zumal wir neben zahlreichen betroffenen Schulklassen und Kita-Gruppen inzwischen leider auch wieder Infektionseinträge in Pflegeeinrichtungen verzeichnen müssen. Wir müssen die Infektionskurve jetzt mit einer erneuten Kraftanstrengung abflachen, um insbesondere Ältere und Vorerkrankte zu schützen. Das können wir nur gemeinsam. Gleichzeitig brauchen die Betriebe und Unternehmen im Landkreis eine Perspektive, wie es für sie weitergehen kann. Darum appelliere ich an Sie und uns alle: Wir müssen Verantwortung übernehmen und die Maßnahmen ernst nehmen, wenn wir – auch mit Blick Richtung Weihnachten – wieder zu mehr Normalität zurückkehren möchten."
Gesundheitsamtsleiter Dr. Gerhard Schmid ergänzt: "Auch im Landkreis München ist zu beobachten, was die Bundeskanzlerin gestern angesprochen hat: Wir können nur noch bei einem Teil der Indexpatienten nachverfolgen, woher die Infektion stammt, da die Betroffenen die relevanten Kontakte nicht mehr ausreichend eingrenzen können. Die vorübergehende Verschärfung der Maßnahmen und das Herunterfahren des öffentlichen Lebens helfen daher insbesondere auch den Gesundheitsämtern, die bei kontinuierlich steigenden Fallzahlen zunehmend an ihre Grenzen bei der umgehenden Kontaktaufnahme zu Indexpatienten sowie bei der dringend notwendigen Ermittlung und Isolation der Kontaktpersonen geraten."
Landkreis plant mobiles Testzentrum
Natürlich seien die steigenden Infektionszahlen auch von den gestiegenen Testkapazitäten beeinflusst. So stehe im Landkreis München aktuell etwa eine tägliche Kapazität von rund 1.500 Tests zur Verfügung, die zu etwa 90 bis 95 Prozent auch in Anspruch genommen würden. Dies zeige jedoch auch, wie viel höher die Dunkelziffer der Personen liege, die zwar mit dem Virus infiziert seien und diesen folglich auch weiterverbreiten könnten, aufgrund fehlender Symptome aber gar nicht getestet würden. Auch vor diesem Hintergrund seien die neuen Beschränkungen sehr wichtig, so Schmid weiter.
Um zusätzliche Testmöglichkeiten zu schaffen, will der Landkreis in Kürze ein mobiles Testzentrum einrichten. Mit der Teststation auf Rädern können etwa Engpässe bei Testkapazitäten aufgefangen und Infektionsschwerpunkte flexibel und schnell bedient und dadurch eingegrenzt werden. Auch in Pflege- und Behinderteneinrichtungen könnte die mobile Teststation schon bald zum Einsatz kommen.
Reaktivierung der erprobten Krisenstrukturen
Bereits seit längerem berät der Koordinierungsstab Coronavirus im Landratsamt wieder regelmäßig über die Auswirkungen und notwendige Maßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemie. Seit Ende September sind zahlreiche Gemeinden erneut als Beauftragte des Gesundheitsamts mit der Ermittlung von Kontaktpersonen befasst und auch die kommunalen Testzentren sind seit Wochen wieder in Hochbetrieb. Darüber hinaus bereitet der Landkreis aktuell die Reaktivierung der erprobten Krisenstrukturen vor, die sich bereits während des ersten Katastrophenfalls im Frühjahr als sehr hilfreich erwiesen haben. So hat das Landratsamt nach der Sitzung des Ministerrats am Donnerstag umgehend Kontakt zu denjenigen Ärztinnen und Ärzten aufgenommen, die bereits im vergangenen März in unterschiedlichster Funktion für den Landkreis tätig waren, so etwa der Ärztliche Leiter FüGK, der Versorgungsarzt oder die Ärzte, die das Gesundheitsamt bei der Reihentestung betroffener Pflegeeinrichtungen unterstützt haben. Sie alle haben bereits ihre Bereitschaft für einen weiteren Einsatz erklärt.
Im Fokus: Schutz vulnerabler Personengruppen
Besonders schwierig ist die aktuelle Verschärfung der Situation für alle stationären Einrichtungen des Gesundheitswesens, im Besonderen für Senioren- und Pflegeeinrichtungen und für Einrichtungen der Behindertenhilfe. Für diese will der Landkreis eine flexible Einsatzgruppe einrichten, die im Fall eines breiteren Eintrags des Virus in eine Einrichtung umgehend alle notwendigen Maßnahmen veranlassen kann. Auch soll nach Möglichkeit wieder für jedes Heim ein koordinierender Arzt zur Verfügung stehen, so der Wunsch der Verantwortlichen im Landratsamt.
Greifbare Perspektiven entwickeln
Neben allen Ge- und Verboten, die fachlich gestützt und umgesetzt werden müssen, sei es aber auch wichtig, konkrete Wege für einen gesellschaftlichen Umgang mit dem Virus für die Zeit nach dem nun verfügten Lockdown zu ebnen, bemerkt Landrat Christoph Göbel und ergänzt: "Wir müssen den Menschen greifbare Perspektiven geben, wie das Leben ohne gravierende, langfristige Folgen für das Miteinander in der Gesellschaft vonstattengehen kann. Dazu wollen wir sehr konkrete Modelle auch im Landkreis München entwickeln." So käme etwa den Schnelltests besondere Bedeutung zu, weil sie aus Sicht des Landratsamts Wege eröffnen könnten, wie Veranstaltungen, Gastronomiebetrieb, Vereinsaktivitäten u.a. sicher stattfinden können. "An entsprechenden Lösungsansätzen arbeiten wir konkret und sind dazu im Dialog mit Betroffenen, weil wir den Blick nach vorne richten müssen!"
Informationen zu den jeweils aktuell geltenden Corona-Regeln gibt es auf der Website des Landkreises unter www.landkreis-muenchen.de/coronavirus.